Hohe Verluste bei vorzeitiger Kündigung

Experten raten seit Jahren, Risikoschutz und Altersvorsorge zu trennen. Dennoch gibt es nach Angaben der Versicherungswirtschaft rund 80 Millionen Kapital- und Rentenversicherungen, so die neuesten Bestandszahlen. Sie bringen dem einzelnen Sparer nach Einschätzung von Verbraucherschützern nur geringe Renditen - und sollten daher ihrer Einschätzung nach auf die Spartauglichkeit hin geprüft werden. Im Zweifelsfall könne es besser sein, sie beitragsfrei zu stellen oder zu kündigen - das schafft neue Liquidität für das Sparen für den Ruhestand mit anderen Produkten oder für eine Immobilie. Versicherer betonen dagegen die hohe Sicherheit der Policen.

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«Kapital- und Rentenversicherungen sind unflexibel und gering verzinst - für die Altersvorsorge sind andere Dinge daher besser», sagt Jens Trittmacher vom Bund der Versicherten in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. In erster Linie seien das vom Staat geförderte Riester-Produkte und Investmentfonds. Hintergrund der geringen Verzinsung seien die hohen Kosten, die vom eingezahlten Betrag abgehen, bevor dieser als Sparanteil auf die hohe Kante kommt: für Verwaltung, Abschluss und die Beiträge für den Todesfallschutz, erläutert Trittmacher. Denn das Versicherungsunternehmen muss liquide sein, wenn Versicherte sterben, und bildet entsprechende Rücklagen.

«Nur eine lebenslange Rentenleistung ist echte Altersvorsorge: Die Lebenserwartung der Menschen steigt - aber niemand weiß genau, wie lange er lebt und Geld für die regelmäßigen Ausgaben braucht», sagt Stephan Gelhausen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Beim Fondssparen dagegen werde mit Rentenbeginn meist eine Zeitspanne festgelegt, in der das Geld aufgezehrt wird. Das Problem dabei: «Sie leben länger als das Geld reicht, weil die Lebenserwartung zu pessimistisch eingeschätzt wurde.»

Auch das Argument, die Kostenstruktur von Fonds sei für Sparer günstiger, sei nicht richtig: Nach 30 Jahren Sparen sei die Rendite unter dem Strich besser als bei einem Fondssparplan, rechnet der GDV unter Bezug auf das Institut für Versicherungswesen in Köln vor. Die mittlere Rendite der Lebensversicherer liege sogar über der von Fondssparplänen, weil Fondsanleger häufig für teure Gebühren umschichten und nicht langfristig genug investieren. Denn wer Fondsanteile nach kurzer Zeit oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft, könne Verluste am Aktienmarkt nicht ausgleichen - und das schmälere dann die Rendite. Die Lebensversicherung biete dagegen die langfristige Bindung und den Vorteil, dass alle Kosten anfangs abgezogen werden.

Die Sicherheit der Lebensversicherung überzeugt offenbar nach wie vor auch junge Sparer, die Renten- und Kapitalversicherungen abschließen. Manchem fehlt aber Geld, wenn monatlich eine feste Rate in den Vertrag eingezahlt wird. Dabei muss der Grund für das Kündigen eines Vertrags nicht Armut sein. Zwar werden die meisten Policen wegen Trennung und Scheidung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit aufgegeben. Häufig ist schlichtweg zu viel monatliche Verpflichtung in dem Vertrag gebunden, und die fehlt zum Beispiel für einen Immobilienerwerb.

Mancher will dann kündigen - und offenbar sind es nicht wenige, die dann merken, dass sie dann unter Umständen viel Geld durch den Schornstein gejagt haben. Das zeigen die Beschwerden, die zum Thema zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale Hamburg aufgelaufen sind - sie hat sich auf den Streit um die sogenannten Rückkaufswerte mit den Versicherern spezialisiert.

«Es gibt Fälle, da wurden über die Jahre 60 000 Euro eingezahlt, und 20 000 bekommen die Leute wieder heraus. Wenn Sie jeden Tag zehn solcher Briefe bekommen, haben Sie schnell so 'nen Hals», sagt Referentin Edda Castelló. Sie hat mit ihren Kollegen im vergangenen Herbst rund 400 Verträge ausgewertet, deren Daten in der Verbraucherberatung aufliefen. Im Schnitt lag der Verlust bei Kündigung einer Police bei annähernd 3400 Euro. Den Experten zufolge werden drei Viertel aller 30-Jahres-Verträge vor Ablauf gekündigt.

Der Bund der Versicherten hält für Verbraucher Entscheidungshilfen darüber bereit, ob sich eine Vertragsfortführung lohnt. «Ist es ein junger Vertrag, kann eine Kündigung besser sein», so lautet nach Worten von Trittmacher eine Faustregel. Beitragsfreistellung und Laufzeitverkürzung sind andere Möglichkeiten.

Was sind Kapital-, Renten- und Lebensversicherungen?

KAPITALVERSICHERUNG: Sie ist Hinterbliebenen-Absicherung und Altersvorsorge in einem. Hinterbliebene haben im Todesfall Anspruch auf die Versicherungssumme plus anteilige Überschüsse. Wer den Vertragsablauf selbst erlebt, bekommt die angesparte Summe plus Überschüsse ausgezahlt.

PRIVATE RENTENVERSICHERUNG: Bei diesen Verträgen entfällt die Hinterbliebenenabsicherung - sie sind reine Sparvorgänge. Am Vertragsende kann eine monatliche Rente oder eine Einmalauszahlung des angesparten Kapitals plus die erwirtschafteten Überschüsse bezogen werden.

LEBENSVERSICHERUNG: Das ist der Oberbegriff für all jene Verträge, die Kunden bei einem Lebensversicherungsunternehmen abschließen. Das können Rentenversicherungen, Kapitalversicherungen, Policen mit Berufsunfähigkeits-Zusatzschutz oder Unfallzusatzschutz sein. Oder es sind Risiko-Lebensversicherungen, die die Familie gegen den Tod des Hauptverdieners schützen. Ihre Laufzeiten sind kürzer, und sie enthalten keinen Sparvorgang. Daher sind sie günstiger und sollten nach Einschätzung von Verbraucherschützern als Risikoschutz auch abgeschlossen werden, vor allem wenn Kinder da sind.