Zertifikate: Aussagekraft von Ratings nicht überschätzen

Gerade in schwierigen Börsen-Zeiten greifen immer mehr Anleger zu Zertifikaten. Denn mit ihnen lassen sich auch bei fallenden Kursen Gewinne machen. Die mittlerweile riesige Auswahl ist aber verwirrend. Und auch die komplizierte Struktur der Papiere durchschauen viele Anleger kaum.

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Bewertungen von Rating-Agenturen, wie sie bei Fonds längst üblich sind, sollen nun Abhilfe schaffen. Mit ihnen sollen Anleger leichter entscheiden können, welches Produkt wirklich gut ist und zu ihnen passt. Experten empfehlen aber, die Aussagekraft der Ratings nicht zu überschätzen.

Bislang waren Zertifikate kaum vergleichbar. Sie bilden zwar mitunter die gleichen Basiswerte ab - also etwa eine Aktie. Die Ausstattungsmerkmale der Papiere unterscheiden sich aber stark voneinander. Eine Messlatte, wie sie verschiedene Analyse-Agenturen inzwischen bieten, ist also grundsätzlich nicht verkehrt. «Mehr Ordnung im Markt ist für Anleger prinzipiell positiv», sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart.

Ratings sind vor allem für weniger erfahrene Anleger gedacht. Sie bündeln in einer Kennzahl - etwa in Form von Sternen oder Schulnoten -, ob das Papier im Vergleich empfehlenswert ist. Blindes Vertrauen ist aber nicht ratsam. «Die jüngste Finanzkrise zeigt, dass sich so manches Urteil über ein Wertpapier oder ein Bankhaus als zu positiv herausgestellt hat», warnt Markus Straub, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in München.

Außerdem seien Zertifikate noch schwieriger als andere Finanzprodukte zu untersuchen. Denn die herausgebenden Banken haben bei deren Gestaltung viele Freiheiten - so lassen sich zum Beispiel Gebühren leichter verstecken, lautet ein häufiger Vorwurf. «Gerade die Kostenstruktur ist praktisch unmöglich bei jedem Zertifikat überprüfbar», sagt Nauhauser. Anlegerschützer bezweifeln daher, ob die Agenturen ein umfassend aussagekräftiges Urteil fällen können. Sie versuchen es trotzdem, und die Bewertungsmodelle unterscheiden sich zum Teil.

Die Agentur Scope hat ihr Rating, das es seit etwas mehr als zwei Jahren gibt, jüngst überarbeitet. Nun soll - vereinfacht formuliert - bei den meisten Produkten eine Anzahl von Sternen ausdrücken, inwiefern ein Anleger damit rechnen kann, dass er im Plus liegt, wenn er das Zertifikat bis zum Ende der Laufzeit hält. Bei fünf Sternen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, bei einem eher gering. Analysiert wird vor allem, wie stark der Kurs des Basiswerts in der Vergangenheit schwankte und das vermutlich in Zukunft tun wird.

Ins Gewicht fällt ebenfalls, wie die Bank das Wertpapier konstruiert hat. Die Ratings der beliebten Bonus-, Discount- und Garantie-Zertifikate aktualisiert der Anbieter täglich. Papiere, die zum Beispiel einen Index abbilden, bewertet Scope anders. Denn dabei spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Berücksichtigt wird in diesem Fall zum Beispiel auch, ob das Papier in Krisenzeiten gut gehandelt werden kann und wie zahlungskräftig der Herausgeber ist.

Einen anderen Ansatz verfolgt das Rating von FWW. Die Analysten zeichnen Produkte einmalig bei der Emission aus. 50 Kriterien liegen zugrunde: Wie sinnvoll ist das Konzept für den Kunden? Wie anlegerfreundlich sind die erhältlichen Produktinfos? Wie hoch sind die Gebühren? Diese und weitere Fragen spielen eine Rolle. Bekanntgegeben werden bislang aber nur Resultate über Papiere, die mit «sehr gut» oder «gut» abschneiden. Bei schlechteren Noten lautet der Stempel «non rated» für «nicht bewertet».

Der Deutsche Derivate Verband in Frankfurt/Main hat ein Rating eingeführt, das vom Analysehaus XTP Transaction Partners entwickelt wurde. Als wesentliche Kriterien nennt XTP die Emittenten-Bonität, die Informationspolitik, die Handelbarkeit eines Papiers und dessen Kostenstruktur. Das berücksichtigen auch die Konkurrenten in der einen oder anderen Form. Abweichend soll aber nicht eine einzige Bewertung vergeben werden. Vielmehr wird diese von der Risikoneigung des Kunden abhängen. Dass hinter dem Rating der Verband der Zertifikate-Branche selbst steckt, ist für Anlegerschützer Straub allerdings ein großes Manko.

Zusätzlich zum Rating in Buchstaben-, Zahlen- oder Sternchen-Kombinationen hat sich in der Bewertung eine Einteilung in eine von fünf Risikoklassen durchgesetzt. Das soll ausschließen, dass ein konservativer Anleger ein Papier mit «Kasino-Charakter» erwischt. Zertifikate-Experte Bernd Brückmann von der Stiftung Warentest in Berlin hofft, dass Anleger mit Hilfe dieser Angabe Angebote besser hinterfragen und sich nicht von Sicherheitsbekundungen beeindrucken lassen. «Bei Zertifikaten, vor allem Bonuszertifikaten, wird oft umfassende Sicherheit suggeriert, wo nur ein Teilschutz vorhanden ist.»

Vorbereiten und in der Bank bei Ratings nachfragen

In der Praxis kaufen die meisten Anleger Zertifikate nicht in Eigenregie - sie folgen Empfehlungen ihrer Bankberater. Das ist die Erfahrung von Anlegerschützern. Sie befürchten, dass schlechte Ratings in solchen Gesprächen unter den Tisch fallen und hohe Risikoklassen heruntergespielt werden. Falls Kennzahlen zur Sprache kommen, rät Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in München daher zur aktiven Nachfrage: «Kunden sollten sich genau erklären lassen, was sie bedeuten.» Und von Vorteil ist es, sich vorher über die Einschätzungen der Analyse-Agenturen kundig zu machen.

(Zertifikate-Ratings über das Internet: www.onvista.de, www.euwax.de, www.fww-ratings.de, www.deutscher-derivate-verband.de)