Lehman-Geschädigte müssen selbst klagen

Wer wegen des Kaufes von Zertifikaten der insolventen Bank Lehman Brothers klagen will, muss das mehr oder minder auf eigene Faust tun. «Sammelklagen kann es in diesen Fällen nicht geben - die Fälle sind individuell viel zu verschieden», sagte Hartmut Strube von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf am Freitag dem dpa-Themendienst.

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Damit sei die Materie grundsätzlich anders gelagert als im Fall der Telekom vor einigen Jahren, als Sammelklagen angestrengt wurden, erläuterte Strube: «Hier ist nicht zu klären, ob vom Prinzip her eine Ad-hoc-Meldung richtig war oder nicht. Es geht darum, ob die individuelle Beratung im jeweiligen Fall ausreichend war.»

Sollte eine Kanzlei mit einer Massenvertretung werben, bürge das nicht unbedingt für Qualität, sagte der Verbraucherschützer: «Ich würde in diesem Fall sogar besser Abstand nehmen. Denn wenn ein Anwaltsbüro sagt, es vertrete bereits 1000 Anleger in dieser Sache, ist das nicht unbedingt gut.» Eine Stunde Beratung sei sicher pro Fall notwendig - und wie 1000 Beratungsstunden von einem einzelnen Büro in so kurzer Zeit gestemmt werden, sei ihm unklar. «Man muss aufpassen, dass man nicht zum zweiten Mal abkassiert wird.»

Wer einen Anwalt seines Vertrauens gefunden hat, sollte sich darauf einstellen, dass es «kein Spaziergang» werde. Rechtlich sei die Situation so, dass der Anleger eine Falschberatung nachweisen muss. Das sei schwer: «Meiner Erfahrung nach stellt man im Prozess fest, dass Bankberater mitunter lügen, dass sich die Balken biegen», sagte der Fachanwalt für Kapitalanlagerecht. «Oft wird dann sogar gesagt: "Der Kunde ist auf uns zugekommen und hat auf mehr Rendite gedrängt".»

Strube sagte, in der laufenden Dokumentation liefen bei der Verbraucherzentrale immer mehr «absolut haarsträubende Fälle» rund um die Pleite von Lehman Brothers auf: «Da guckt man schon in Abgründe.» In fast allen Fällen seien Rentner die Geschädigten.

Die Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Rechtsschutzversicherungen die Übernahme von Kosten für das Prozessieren in diesen Fällen versagen: «Alles, was mit Kapitalanlage zu tun hat, haben die Unternehmen in ihren Geschäftsbedingungen, so weit ich weiß, ausgeschlossen», sagte Strube. Diese Fälle seien durch die Policen heute nicht mehr gedeckt: «Das hat mit Prozessen wegen Schrottimmobilien zu tun, aber vor allem mit dem Platzen der Blase am Neuen Markt.»

Vor dem Frankfurter Landgericht begann am Freitag ein erster Anlegerprozess um Zertifikate der insolventen Bank Lehman Brothers. Ein älteres Ehepaar verlangt von der Frankfurter Sparkasse die Rückabwicklung eines Wertpapiergeschäfts mit einem Volumen von rund 12 000 Euro. Nach Angaben ihrer Anwälte seien den Senioren die Papiere verkauft worden, ohne dass auf die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen wurde.